Freitag, 27. Januar 2012

Roadtrip in ein anderes arabisches Lebensgefühl

Ein verlängertes Wochenende steht vor der Tür und so stellt sich für meine Kollegen und mich die Frage, wohin man denn diesmal reisen soll. Drei freie Tage in Riyadh zu verbringen grenzt ja schon fast an Zeitverschwendung. So haben wir alle mögliche Pläne durchgewälzt wie man die freie Zeit am besten nutzen kann und am Ende haben wir uns dann dazu entschlossen nach Bahrain zu fahren. Ein anderes Königreich mit einer etwas anderen Auffassung von sozialem Zusammenleben und Verboten, als es hier üblich ist und vor allen Dingen legalem Alkohol. 

Also haben wir uns dann Mittwochs ins Auto gesetzt um die kurze, aber interessante Reise an zutreten. Zunächst heißt es aber erst mal vier Stunden Autofahren durch die Wüste. Klingt ja eigentlich nicht so spannend, aber wie der Teufel es will kommt auch hier etwas Abwechslung ins Fahrgeschehen und so sieht man zwischen Kamelherden und Autowracks auch dieses interessante Gebilde.


Da fragt man sich doch: ""Was macht denn bitte ein Riesenrad mit in einer Wüste zwischen sich im Rohbau befindlichen Grundmauern?" Die Antwort ist doch Sonnenklar. Damit die Arbeiter ein bisschen Abwechslung von der Arbeit haben, müssen sie sich zwischendurch bei einer Runde Riesenrad erholen. Völlig klar. Oder man kann das Riesenrad als Aussichtspunkt für den Nachschub verwenden, der eventuell irgendwann einmal eintrifft.
So fahren wir dann weiter munter durch die Wüste, wo sich weiterhin nur Sand und Autowracks die Hand reichen, um an einer Tankstelle dann doch noch einmal ein paar Bäume und die beneidenswerte Art Ordnung  bewundern zu können.



Bei Einbruch der Nacht geht es dann so langsam in Richtung Dammam, die Grenzstadt zum Königreich Bahrain und ehe wir uns versehen, sind auch schon auf dem King Fahd Causeway, welcher das saudische Festland und die Insel Bahrain miteinander verbindet. Das Problem an der Sache ist nur, dass wir mit einem Mietwagen nicht aus Saudi Arabien ausreisen dürfen. Frohen Mutes fahren wir jedoch einfach mal drauflos und schauen was so auf uns zu kommt. In der Mitte zwischen Bahrain und Dammam befindet sich noch ein kleine Insel, bei welcher wir dann kurz anhalten um etwas zu verschnaufen und unser weiteres Vorgehen planen wollen, aber ehe wir uns versehen sitzen wir auch schon in einem Taxi, welches uns gekonnt über die Grenze chauffiert. Nach einer knappen Stunde Wartezeit an der Grenzkontrolle können wir dann auch die Rechenkünste des Zöllners bewundern. Durch gewisse Schwierigkeiten mit den jeweiligen Umrechnungskursen muss Marc nur  -10 Rial für sein Visum bezahlen. Ein Traum. Jetzt stellt sich aber auch schon die nächste Frage: "Wo solls denn hingehen?" Da hat sich bisher noch niemand wirklich Gedanken darüber gemacht und so landen wir schließlich in dem ersten Hotel, was wir uns notiert haben, dem Casablanca. 


Der Ausblick ist recht ansehnlich und trotz der Lage an der Hauptstraße ist es relativ ruhig hier. Da wir von der langen Fahrt doch schon etwas entkräftet sind, muss erst mal wieder der nächste Standard Inder aufgesucht werden. Wie gewöhnlich :-D. Das Problem an den meisten indischen Restaurants ist halt nur, dass sie leider das jeweilig Huhn, Rind, Schaf anscheinend im Ganzen in Stücke schneiden und dabei auch keine Rücksicht darauf nehmen, ob jetzt mehr Knochen als Fleisch im Curry ist oder nicht. Nachdem wir dann die Knochen abgenagt hatten, haben wir uns auf die Suche nach dem gemacht, wofür Bahrain im Königreich Saudi Arabien so bekannt ist. Die Kneipen- und Clubszene mit richtigem Bier. Nicht selbstgebraut, sondern Original aus der Flasche.
Nur wo findet man denn jetzt diese Clubs und Bars? Nirgendswo Musik. Nur Autos, Imbissbuden und Hotelanlagen wohin das Auge reicht. Dann muss halt mal ein Taxi angehalten werden, was uns irgendwohin fährt. Nur halten hier leider keine Taxis an der Hauptstraße und die Taxifahrer sehen auch allesamt sehr beschäftigt damit aus, ihre saudische Kundschaft zu den Plätzen ihrer Wahl zu fahren. Beim nächsten Taxistand fragen wir dann nach, ob sie uns sagen können wo die nächste Bar, bzw. das Kneipenviertel ist. Der Taxifahrer versichert uns eingehend zu wissen wo wir hin wollen und fährt uns prompt zum Parishotel. Er hat wohl Bar mit Paris verwechselt. Da wir schon mal hier sind fragen wir an der Rezeption nach ob es hier eine Bar gibt, und wie der Teufel es will, haben sie natürlich eine. Frohen Mutes fahren wir also hoch in den 2. Stock und schon im Aufzug hört man das Gewummere viel zu lauter Musik entgegendröhnen. Hoch motiviert und selbstbewusst gehen wir in den Club hinein um im nächsten Moment festzustellen, dass wir die einzigen Gäste in diesem Laden sind. Außer uns ist nur die Bedienung und eine Karaoke Band zu sehen. Die Bedienung bringt uns auch sofort ein frisches, schönes, kaltes und atemberaubend leckeres Bier. Wie schön es doch sein kann, einfach nur mal ein frisches Bier zu trinken. Herrlich. 
Die nächste Station unseres nächtlichen Abendprogramms ist dann ein Hotel in einer anderen Ecke der Stadt. Hier ist dann auch schon etwas mehr los und wir können uns neben frischem Bier vor allen Dingen damit beschäftigen, den jungen und alten Saudis dabei zu zu schauen, wie sie all die schönen Köstlichkeiten genießen, welche Ihnen in ihrem eigenen Land verwehrt sind. Fasziniert schauen sie sich die Kellnerinnen und Sängerinnen, welche ohne die in Saudi Arabien übliche Abaya, mit all ihren weiblich Reizen spielen können. So kann man die hier Anwesenden jungen und alten Männer Bauklötze staunen sehen, während sich die Bedienung abrackert Ihnen weitere alkoholische Getränke anzubringen. Nachdem wir dann genug von dieser Location haben, beschließen wir noch ins das sagenumwobene Diggers zu gehen. Dies befindet sich einfach nur auf der anderen Straßenseite. Von außen ist das Diggers einfach nur ein schlichter unauffälliger Laden, aus welchem Laute Musik dröhnt. Von innen sieht es so aus, als ob man gerade die Kneipe von Tarantinos "From dusk till dawn" betreten hat. Auf der Bühne spielt eine Filipino Band gerade "For whom the Bell tolls" von Metallica und aller Anwesenden Augen sind sofort auf das Frischfleisch gerichtet. Ein komisches Gefühl, so von allen bestaunt zu werden. Nach wir dann erfahren haben, dass Marc aussieht wie ein Türke, Hendrik als ob er noch zu jung wäre um hier zu sein und ich wie ein 70 jähriger Asiate beschließen wir, es für diesen Abend zu belassen und uns zurück zum Hotel fahren zu lassen. 
Gerade als das Licht in unserem Zimmer aus ist, klingelt das Zimmer Telefon und am anderen Ende hört man nur ein seltsames "Hello" mit merkwürdigem Unterton, nach dem ich freundlich Hello geantwortet habe schlägt mir ein hastig gesprochenes "You want massage" entgegen, worauf ich dankend ablehne. Anscheinend hat dieses Hotel noch eine kleine Nebeneinkunft mit nächtlichen Massagen. Sehr interessant.

Ausgeschlafen geht es dann am nächsten Tag auf Erkundungsreise durch Manama. Während wir bei strahlendem Sonnenschein durch die Straßen spazieren, könnte man sich fast vorstellen in einem mediterranen Ort zu sein. Überall sind Bürgersteige und man kann Problemlos seinen Spaziergang zu Fuß machen, was in Riyadh meist nur schwer möglich ist, da es kaum Bürgersteige gibt, da man ja lieber mit dem Auto fährt. So laufen wir also gut gelaunt durch die Gegend, bis uns schließlich der Magen knurrt und wir nach einem Imbiss suchen, welches in der Lage scheint unseren Hunger zu befriedigen.


Das Leben könnte so schön sein in Riyadh, wenn es doch nur ein paar solcher schönen Lokalitäten zwischen den eingestürzten Häusern und verdreckten Straßen geben würde. Genießen wir das schöne Leben so lange wir noch können.
Frisch gestärkt sind wir dann nach einem wirklich leckeren amerikanischen Frühstück mit frisch gepresstem Orangensaft dann weiter gezogen um kurz danach dann auch die erste Sehenswürdigkeit zu Gesicht zu bekommen. 



Die Al Fateh Moschee. Wirklich ein beeindruckendes Gebäude. Es sieht aus, als ob es Generationen von Menschen stand gehalten hat und immer noch in Würde in der Sonne erstrahlt, dabei ist die Moschee noch nicht mal so alt wie ich. Im inneren der Moschee kommt dann schon die erste große Überraschung auf uns zu. Wir werden von einer Frau angesprochen, welche uns in fließendem Deutsch anbietet, uns durch die Moschee zu führen. Natürlich ganz umsonst. Nach einigen interessanten Fakten über den Islam und die Ursprungsländer der verschiedenen Materialien der Moschee endet unsere 15 minütige Führung, und wir können uns frei in der Moschee bewegen und Photos machen.



Als wir uns schon auf dem Weg aus der Moschee befinden werden wir noch eingeladen uns die deutschsprachigen Informationsbroschüren mitzunehmen, sowie noch ein kleines Erfrischungsgetränk für den Weg danach einzustecken. So kann man dem Islam doch auch mal begegnen. Freundlich und aufgeschlossen ohne direkt penetrant und belehrend zu sein. 


Nach diesem freudigen Erlebnis sind wir dann die Corniche entlang geschlendert. Meeresluft und ein leichter kühler Wind machen die ganze Sache noch um einiges angenehmer. Wie Balsam für die Seele ist es neben dem ganzen Sand auch mal etwas Abwechslung zu sehen. Das weite blaue Meer lässt einen dabei sogar fast sentimental werden und die über unseren Köpfen kreischenden Vögel machen die gesamte Szenerie perfekt. Während wir uns also an Manama erfreuen sind wir auch schon an unserem nächsten Ziel angelangt, dem National Museum of Bahrain. Hier erwartet uns zunächst erst mal wieder die für die arabische Halbinsel typische Mauer. Überall sind Mauern. Nachdem wir das Eingangstor zwischen den Mauern gefunden haben erwartet uns in der Eingangshalle zunächst eine Übergroße Landkarte von Bahrain auf dem Boden. Man kann die gesamt Insel abgehen und überall sind Linien zu Bildern an den Wänden angebracht, die einem nähere Details zu bestimmten Sehenswürdigkeiten der Insel verraten. In den anderen Räumen kann man noch verschiedene Aspekte der Bahrainischen Kultur entdecken, wie z.B. die Perlenfischerei, das traditionelle Leben in Bahrain, die Geschichte des Landes und natürlich auch die Geschichte des Korans. Gerade in der Koranabteilung des Museums kann man wirklich sehr filigrane und wundervoll verzierte Korane sehen. Da muss sich jemand bei der Ausarbeitung wirklich unglaublich viel Mühe gemacht haben.
Am Ende des Museums finden wir dann auch noch eine Kunstausstellung mit wirklich interessanten Objekten.





Wobei der Sinn dieser beiden Objekte mir etwas schleierhaft ist. Warum wird die Kuh in den Hals gebohrt und warum liegt der Kopf der Frau auf dem Tisch. Das Rätsel dieser Frage wird mir wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben und nur dem Künstler und einigen Eingeweihten verraten werden.
Auf dem Weg zum Fischmarkt, um uns ein leckeres Abendessen zu bestellen, verlaufen wir uns etwas und Landen im Diplomatenviertel. Hier gibt es anscheinend nur Spiegelhäuser und schwer bewaffnete Polizisten hinter vergitterten Polizeiautos. 


Die Häuser sind zwar sehr beeindruckend, aber genau so könnten sie auch in Dubai oder einer sonstigen Stadt am Golf stehen und irgendwie erinnern mich die Häuser an ein Brettspiel was ich mal hatte. Hotel. Grandioses Spiel.
Da wir bei der Suche nach dem Fischmarkt gescheitert sind, haben wir uns dann schlussendlich für einen Libanesen entschlossen. Gesättigt und gestärkt ging es dann zurück zum Hotel um uns für die Abendsafari fertig zu machen.
Nachdem wir unser erstes Bier in der Hoteleigenen Bar getrunken und uns dazu entschieden haben hier nicht länger zu bleiben, haben wir uns auf die Suche nach einer anderen geselligen Behausung gemacht. Nachdem die ersten Läden zunächst überteuert waren oder gestunken haben, sind wir dann zufälligerweise doch noch fündig geworden. In einem kleinen Seiteneingang haben wir ein Schild entdeckt, welches auf die Party im 5. Stock aufmerksam gemacht hat. Oben angekommen sind wir dann auf einer Party der etwas anderen Art gelandet. Eine Inder Party. Wenn es ein Volk dieser Erde gibt was bekloppt tanzt, dann müssen es die Inder sein. Nimmer Müde werdend haben sie Arme und Beine in die Luft geschlagen und dabei die schönsten Verrenkungen gemacht, welche man sich vorstellen kann. Auf der Tanzfläche waren fast nur Männer und so kommt es dann natürlich auch, dass man sehr abstruse Tanzbewegungen im Partnerstil feststellen kann. Während die tanzenden Meute sich immer mehr in Extase zu tanzen scheint, sind wohl auch die anderen Gäste nicht mehr in der Lage auf ihre Umgebung zu achten, da uns nun nicht zum ersten Mal der Tisch umgerannt und damit auch unser gesamtes Bier verschüttet wird. Vor lauter Begeisterung wird natürlich vergessen sich zu entschuldigen da man schnellstmöglich auf die Tanzfläche kommen muss, um seinem Frohsinn freien Lauf zu lassen.
Während wir bewundernd die tanzende Meute betrachten nähert sich der Uhrzeiger der 2 und es wird Zeit nach Hause zu gehen, da die meisten Clubs um zwei ihre Tore schließen müssen.


Auf dem Heimweg am nächsten Mittag zeigt sich dann auch noch die Wüste von ihrer schönsten Seite und während die Sonne über Saudi Arabien untergeht könnte die Welt friedlicher nicht sein.

Sonntag, 22. Januar 2012

Das Geisterhaus

Während die Tage hier in Riyadh so einer nach dem anderen vorbei tröpfeln und man sich versucht irgendwie zu beschäftigen, neigt sich das Semester am College dem Ende zu.

Die letzten Examen werden geschrieben und das häufigste Gesprächsthema auf den Fluren der geheiligten Hallen ist der bevorstehende Urlaub. Der eine fährt nach Sri Lanka, ein anderer nach Norwegen und der nächste fährt mal wieder sonst wo hin. Da kann man vor Neid schon mal erblassen, vor allem bei dem Gedanken, dass man in der nächsten Woche Arbeiten muss. So ist das halt in der Vorlesungsfreien Zeit. Die Lehrer fahren in den Urlaub und der Rest muss auf das College aufpassen.

Vorlesungsfreie Zeit. Pah. Was ist das schon? Nicht mit mir. Frohen Mutes begebe ich mich also Samstag morgen wieder auf die Arbeit und während ich so durch die Straßen Riyahds fahrend mich meinem Arbeitsplatz nähere wird mir eines mit erschrecken bewusst: "Es ist kein Verkehr auf den Straßen." Kein Gedrängel, kein Gehupe. Es herrscht einfach Frieden auf der Straße.

Es kann doch nicht sein, dass nur weil unser College Vorlesungsfreie Zeit hat plötzlich alle Autos von der Straße verschwunden sind. Wahrscheinlich wird nicht nur unser College zur Zeit frei haben, da auch bei allen anderen Colleges und Schulen, an denen man so vorbei fährt, einfach niemand vor der Tür steht.

An unserem College angekommen parken keine Autos in fünf Reihen bis in die Mitte der Straße vor dem Eingangstor. Niemand streitet sich mit den Sicherheitsleuten ob er hier parken darf oder nicht. Kein Auto weit und breit und auch auf dem Lehrer Parkplatz ist der beste Platz noch nicht belegt und ich reihe mich munter ein.

Im Gebäude dann scheint zunächst alles ganz normal zu sein. Ruhiger zwar als sonst, aber alles normal, außer das heute niemand an den Informationsschaltern der Trainee Affairs sitzt. Warum sollen diese Jungs aber auch hier sein, wenn ja kein Student hier ist, dem sie Auskunft erteilen können. Hier trennen sich dann auch die Wege von mir und meinem munteren Mitfahrer und ich begebe mich weiter auf den Weg zu meinem Arbeitsplatz. So gehe ich nun die Treppe hoch und mit einem Mal wird alles anders. 

Auf den Gängen ist das Licht aus. Die Bürotüren sind alle verschlossen. Niemand zu sehen weit und breit. Ein komisches Gefühl, denn auch in dem sonst eher lebhaften Flur der Englischlehrer ist niemand zu sehen, kein Gespräch zu hören und auch hier ist das Licht aus. Wirklich gespenstisch. Während ich mich weiter durch das Dunkel vorwage stelle ich fest, dass sogar in der Küche noch niemand das Licht angemacht hat. 

Wie ist denn sowas möglich? Alle ausgeflogen! 

So schlage ich mich weiter durch bis ich endlich in dem Vorzimmer zu meinem Büro angekommen. Schnell einmal Licht anmachen damit es wenigstens etwas danach aussieht, als ob hier noch jemand arbeiten würde.

So kommt es dann, dass in der Training Section für einige Zeit das einzige Licht in dieser Ecke des Colleges Brennt.

Wie zu jedem Start in einen vernünftigen Arbeitstag wird sich dann erstmal ein großer Kaffee gezogen. Während ich so vor der Kaffeemaschine stehe ertönt von hinten ein grummeliges "Hello" Erschrocken zucke ich zusammen und stelle fest, dass es kein Geist sondern ein weiterer einsamer Zurückgelassener ist. Wenigstens ein Lehrer in dieser Ecke des Colleges der die Fahne hochhält.

So ist das halt in der Vorlesungsfreien Zeit. Willkommen im Geisterhaus TTC.

Dienstag, 17. Januar 2012

Freizeitgestaltung mal anders

Riyadh 17.01.2012 21:00h Ortszeit.

Gerade bin ich aus dem Pool gestiegen. Irgendwie ist es ja doch ein bisschen frisch. Da hilft nur schnell abtrocknen und rein in die warmen Sachen. 
Während ich gemütlich nach Hause schlendere stellt sich mir mal wieder die alles beherrschende Frage: 

Was macht man eigentlich hier wenn man nicht auf einem Compound wohnt?

Irgendwie seltsam. Riyadh ist für mich die Stadt des Sports und der Bewegung geworden, während der Saudi an sich ja eher unsportlich ist. Wobei, wenn man genau hinsieht gibt es ja auch ein paar sportliche Saudis. Ihnen beim "Sport" zuzusehen ist eine wahre Wonne. Jeden Abend auf dem Heimweg von der Arbeit kann man diese Rarität bewundern. Da sieht man einen jungen Mann mit Thobe, der sich gerade die Sportschuhe anzieht um sich danach dann ausgiebig zu dehnen. Nach dem das Aufwärmprogramm vorbei ist, macht er sich auf und ... Moment. Er läuft nicht. Nein. Er geht spazieren. Wahnsinn. Laufen wäre ja zu anstrengend, also zieht man sich sportlich an, um dann spazieren zu gehen. Noch nicht mal walken, was zwar sportlich ist aber komisch aussieht, nein er geht spazieren. Es sieht einfach herrlich aus, wie dutzende Saudis, auch Frauen (natürlich in ihren sportlichen Abayas wohl bemerkt), sich sportlich (das heißt Sportschuhe) zum spazieren gehen anziehen  um dann gemächlich die Straße hoch und runter zu schlendern oder wahlweise auch im Quadrat um die Baustelle oder den Schuttabladeplatz herum. 

Ob das dann soviel bringt? Das wage ich zu bezweifeln, wenn man danach dann doch wieder die 5 Meter nach Hause fährt anstatt zu laufen oder sich zur Erholung doch schnell noch mal ein McDonalds Menü genehmigt. Man hat ja schließlich Sport gemacht.

Womit ich dann auch schon zu meinem zweiten Punkte komme. Denn außer Sport kann man hier vor allen Dingen gut Essen. Besonders wenn man auf Teufelsküche steht. An jeder Ecke gibt es Burger Ketten und fast hat man das Gefühl, dass es selbst in Amerika nicht mehr Fastfood Ketten zu finden gibt als hier in Riyadh. Herfy's, Burger King, Mc Donalds, Hardees, Subway, TGIF, ..... diese Liste kann unendlich weiter geführt werden. Die Prominenz des gesunden Lifestyles ist auf jeden Fall hier vertreten und wer sich dann mal nach einer Salatbar umschaut wird wahrscheinlich auf staunende Gesichter stoßen. Wenn man dann in einem Restaurant mal die Speisekarte hoch und runterschaut und versucht mal ein Gericht ohne Fleisch zu finden, da muss man sich dann auch schon etwas mehr anstrengen, da vegetarische Gerichte doch eher spärlich gesät sind in den Esslokalen der Saudi Arabischen Hauptstadt. 

Nachdem man dann gegessen hat und sich natürlich ungeschickter Weise komplett mit Burgersoße eingesaut hat, muss man natürlich nach Hause fahren. Ach, da wäre ja der dritte Punkt. Das Autofahren. In jeder möglichen nur vorstellbaren Variante. Der saudischen Jugendlichen Lieblings Hobby. Hier mal ein kleines Beispiel was so vorstellbar ist:


Wenn einem langweilig ist fährt man Auto. Bei den Sprit preisen ist dies natürlich auch absolut verständlich. Man fährt um den Block, oder nen Freund besuchen. Man fährt in die Wüste und heizt die Dünen hoch und runter oder man fährt einfach um des Fahrens Willen. Zum Beispiel zur Mall.

Damit wären wir dann bei dem heutigen Hit des Tages:


Das wäre dann die vierte Freizeitbeschäftigung, der man hier so nachgehen kann. Geld ausgeben. Das kann man natürlich nicht nur in der Mall sondern auch auf vielen Souqs oder in irgendwelchen anderen Geschäften.

Ja und nun? Im Großen und Ganzen war es das schon fast, was man in der Millionenstadt Riyadh so machen kann. Da der Saudi an sich sich ja auch lieber hinter hohen Mauern verschanzt, anstatt sich unter Menschen zu wagen, um dort in seiner Privatsphäre zu schwelgen sind auch Caffee's eher selten anzutreffen. Mal abgesehen von Dunkin' Donuts, Starbucks und Konsorten. Bei 60 Grad im Sommer ist es natürlich auch viel zu warm um sich draußen aufzuhalten, sodass auch öffentlich Parks nicht so oft zu finden sind. Höchstens in den privaten Anlagen der Scheichs und reichen Leute oder in den Prestige Gegenden Riyadh's. 

So stellt sich mir einmal mehr die Frage, was man eigentlich macht wenn man hier dauerhaft lebt? Ein ganz schön einseitiges und abwechslungsloses Leben muss das sein. 

Zu viel Freizeit und nichts zu tun. Da kommt man doch schon mal auf dumme Gedanken weil man nichts mit sich anzufangen weiß. So verwundert es mich dann doch immer weniger, dass man hier strikte Regeln braucht um die Menschen im Zaum zu halten und ihre Ideen auf ein Minimum zu beschränken. 

Doch wie könnte man dies besser machen, als mit einer strengen Auslegung bestimmter Ansichten?

Montag, 9. Januar 2012

Wettlauf gegen die Zeit

Es ist mal wieder so weit. Es ist Montag Nachmittag, die Hälfte der Woche ist mal wieder geschafft. Nun sitze ich hier auf der Arbeit und sehne mir den Feierabend herbei. 
Die Sonne strahlt in mein Büro, sodass ich die Rollos herunterlassen muss, damit ich nicht geblendet werde. Draußen erstrahlt alles in einem hellem Schein und kein einziges Wölkchen ist am Himmel zu sehen, als ob Allah selbst diesen Ort gesegnet hätte.

Trotz dieser Idylle schleicht sich eine gewisse Vorahnung in mir hoch. Irgendwas gab es doch noch was ich  heute Abend noch vor hatte. Da muss ich doch mal nachdenken. Ach ja der Kühlschrank ist leer und der meiner Mitfahrer auch. Da können wir ja schön bequem nach der Arbeit in den Supermarkt fahren und in Ruhe das nötigste einkaufen. Wird auch mal wieder Zeit, denn schließlich will man Abends, wenn auch nicht mehr so viel, trotzdem noch wenigstens eine Kleinigkeit essen.

Doch während ich in meinen Gedanken schon am Planen bin was ich mir so alles tolles zu Essen kaufen kann wird plötzlich eine bestimmte Kleinigekeit sehr schmerzhaft bewusst. 

Wann ist denn noch mal gleich die nächste Prayertime? 

17:21h Da hab ich ja noch ne Menge Zeit. Oh. Doch nicht. Schon 20 nach vier. Jetzt aber hurtig. Also schnell das Büro abgeschlossen und mit meinen Kollegen ab ins Auto, raus auf die Straße und Gas geben. Da ist dann auch schon die erste rote Ampel. Vor mir ein Mercedes und was macht dieser Depp als es dann endlich Grün wird? Er fährt natürlich nicht los weil er irgendwas auf seinem Handy am rumtippen ist oder mit seiner Katze schmusen muss. Jetzt fahr doch schon verdammt noch mal. Da ist er dann auch schon. Der erste Wutausbruch nach nur 2 Minuten. Während ich mich weiter in GTA Manier durch den Feierabend Verkehr von Riyadh schlängeln muss schaffe ich es dann doch ohne all zu sehr aufzuregen auf die Autobahn zu kommen. Heute läuft der Verkehr hier zum Glück recht flüssig, sonst hätten wir das Einkaufen ja sofort vergessen können. Nur ein paar Mal abrupt Bremsen weil sich mal wieder so ein Depp ohne Vorwarnung vordrängelt oder weil es mal wieder grundlos staut. Dann mit paar KMH zu schnell an den anderen Autos vorbei. Mal links, mal rechts. Ist hier ja sowieso egal. Oh da ist ja schon die Abfahrt zum Supermarkt. Rauf den Parkplatz und schnell ne freie Stelle möglichst in der Nähe des Eingangs finden. 

30 Minutes to go

Jetzt aber zackig. Nur noch ne halbe Stunde bis zur Prayer. Das wird aber verdammt knapp. Zum Glück weiß ich ja schon was ich brauche. Schnell noch einnen Korb ergattert und dann geht es auch schon los zum Einkaufsspurt. Milch, Joghurt, .... verdammt ich muss schneller sein. Die Zeit wird knapp. Endlich hab ich alles zusammen gesammelt und kann mich an der Kasse anstellen.

20 Minutes to go.

Jetzt wird es aber Zeit, dass der Kassierer sich mal ein bisschen beeilt. Stattdessen zählt er jedoch lieber in Ruhe ein paar Scheine, während im Laden das Licht schon mal gedämpft wird um sich auf die bevorstehende Gebetszeit einzustellen. Währenddessen warten die Kunden an der Kasse in der Schlange und stehen sich die Beine in den Bauch. Es sind doch noch 20 Minuten ihr faulen Affen. 20 Minuten. Den Kassierer jedoch interessiert das ganz und gar nicht. Der hat ja gleich Pause, während all die Kunden in der Schlange warten müssen bevor sie ihre Einkäufe bezahlen können.

15 Minutes to go.

Ich bin einen Meter weiter vorangekommen und kann glücklicherweise schon meine Sachen aufs Band legen. Da ich jetzt die Hände frei hab kann ich schon mal Ausschau nach meinen Kollegen halten. Noch niemand zu sehen. Jetzt wird es aber mal langsam Zeit, dass die Jungs sich beeilen, schließlich müssen sie ja auch noch bezahlen. 
An meiner Kasse rennt nun erst mal der Einpack Inder/ Pakistani/ Bangladeshi weg aber anstatt dass der hochbegabte saudische Kassierer selber Hand anlegt und die Sachen einpackt, wird lieber gewartet. Man hat ja Zeit.  Während ich schon langsam nervös werde senken sich  ach schon langsam die Gitter vor den Laden, damit auch gleich auf gar keinen Fall ein Mensch mehr herein kommen kann.

10 Minutes to go.

Langsam wird es ernst. Wenn sich dieser faule Kassierer nicht mal langsam beeilt steck ich während der Prayer mal wieder im Carrefoure fest. Ich könnte mir nichts tolleres vorstellen. Während sich die Laden gitter weiter senken kommt zum Glück der Einpack Inder/ Pakistani/ Bangladeshi wieder und alles geht weiter seinen gewohnten Gang. Natürlich in der all üblichen Schnelligkeit, welche hier vorherrscht. 

5 Minutes to go.

Endlich kann ich meinen Einkauf bezahlen und mit meinen Einkaufstaschen im Limbotanz unter dem Laden Gitter heraus in die "Freiheit"  wandern. Gerade noch so geschafft und glücklicherweise auch meine Kollegen. Keine 30 Minuten im Carrefoure warten. Was für ein Glück. Fast wäre das Vorhaben doch noch an den wahnsinnig schnellen Kassierern gescheitert.

Es ist mit der Zeit einfach unglaublich anstrengend seinen ganzen Tagesablauf nach den Gebetszeiten richten zu müssen und einfach komplett abhängig von eben diesen zu sein.

Wie so oft schon zuvor sagen wir uns mal wieder, dass dieses Land, sollte es irgendwann mal darauf angewiesen sein Geld zu verdienen und nicht nur in den Arsch geblasen zu bekommen, auf diesem Wege nicht mehr weiter existieren kann. Eine Volkswirtschaft in der 5 Mal pro Tag für mindestens 30 Minuten während der normalen Geschäftszeiten die Arbeit ruhen. Wo gibt es denn sowas? Nur im Märchen oder in Saudi Arabien. Da ist es dann natürlich kein Wunder, dass die meisten wichtigen hochrangigen Jobs von Ausländern erledigt werden müssen

Montag, 2. Januar 2012

Sylvester in einem Land wo nicht gefeiert wird

Sylvester.

Der Tag der Hoffnung auf ein besseres Jahr oder doch nur der Abschluss mit einem alten Jahr?
Die Nacht der nicht in Erfüllung gehenden Vorsätze oder doch der Start in einen weiteren ganz normalen Tag?
Wiedersehen mit alten Freunden oder doch nur ein weiterer Grund irgendetwas zu feiern?

Sylvester.

Normalerweise ist man ja den ganzen Tag damit beschäftigt sich die beste Feier auszusuchen oder seine eigene Feier zu organisieren. Man sucht sich die besten Sachen für die abendliche Feier heraus und denkt eventuell auch etwas über das vergangene Jahr nach. Nicht aber in Saudi Arabien.

Wie sieht aber so ein Tag in einem Land aus, in welchem normalerweise nur islamische Feiertage gefeiert werden? Sylvester ist nur ein normaler Tag und auch Neujahr ist nicht frei. Von feiern kann hier also nicht die Rede sein.

So war ich also mit meinen Planungen nicht allzu enthusiastisch und daher kam es dann auch, dass ich mich um 10 auf meiner Couch befand, einen Film angeschaltet und eine Shisha entfacht habe.Ich hatte mich schon mit meinem Schicksal abgefunden und war gedanklich auch schon im Bett, als dann doch noch was passierte.
Um halb 11 stand dann Paul mit einer Flieger Crew vor meiner Haustür und ich habe mich gefreut, doch nicht um 11 vorm Fernseher einzuschlafen. Es gab mal wieder die herkömmlichen Gespräche über die Unzulänglichkeiten, mit welchen man sich in Saudi Arabien und dem Rest der arabischen Welt auseinanderzusetzen hat, und nebenbei gab es als Hintergrund Untermalung noch Scary Movie und natürlich auch selbst gemachten Wein.
Um 12 ging es dann raus vor die Tür und wir konnten die vollkommen überlaufene Compound Straße bewundern.

Es war weit und breit niemand zu sehen und in die meisten Wohnungen waren noch nicht mal erleuchtet.

So standen wir dann da und haben versucht den Himmel nach Feuerwerkskörpern abzusuchen. Erfolglos. Außer ein paar Geräuschen in der näheren Umgebung war nichts zu hören und am Himmel war auch nichts zu sehen. Irgendwie frustrierend aber andererseits doch sehr besinnlich.
Dann ging aber doch noch eine Tür auf und ein paar Nachbarn kamen mit ein Wunderkerzen heraus auf die Straße, und irgendwie habe ich mich über diese paar Funken sprühenden Kerzen doch unglaublich gefreut. Nachdem wir die üblichen Neujahrsgrüße ausgetauscht haben sind wir dann auch noch zu unseren Nachbarn auf einen kurzen Umtrunk eingeladen worden.

Um halb zwei lag ich dann auch im Bett und ich kann nur sagen, dass Sylvester in Saudi Arabien tatsächlich nur ein weiterer ganz normaler Abend ist. Wie so vieles hier, ist auch Sylvester eher ruhiger, im Gegensatz zu der wogenden ausgelassenen Feier, wie sie in westlichen Ländern normalerweise der Fall ist.

Trotz allem aber, war es ein sehr schöner Abend und ich habe mich wirklich gefreut Sylvester mal auf eine etwas andere Art zu feiern. Ein paar Böller oder Leuchtraketen hatte ich dann aber doch schon zu sehen erwartet.

Was soll man aber auch erwarten wenn Feuerwerkskörper hier in Saudi Arabien das ganze Jahr erlaubt sind. Nur an Sylvester natürlich nicht. Es könnte ja Spaß machen und den westlichen Traditionen genüge tun. Mal wieder verdrehte Welt in Saudi Arabien.